Die Polstermöbelmanufaktur Brühl & Sippold feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum. Zeit für ein Gespräch mit Geschäftsführer Roland Meyer-Brühl über die Geschichte seines Unternehmens und das, was auch in Zukunft wichtig bleibt.
Seit 1948 stellt die Firma Brühl in ihrer Manufaktur in Bad Steben hochwertige Sitzmöbel her. Erzählen Sie uns ein wenig von Ihren Anfängen!
Das Unternehmen wurde ursprünglich von meinem Vater Karl Meyer-Brühl gegründet. Das damals von ihm errichtete Firmengebäude wurde mit der Zeit zu klein und später durch eine moderne, komplett nach baubiologischen Gesichtspunkten errichtete Produktionsstätte ersetzt. Vor über 30 Jahren haben wir dann als einer der ersten Polstermöbelhersteller in Deutschland begonnen, unser Unternehmen nach nachhaltigen Gesichtspunkten auszurichten. Unser altes Firmengebäude haben wir übrigens 2018 anlässlich unseres 70. Firmenjubiläums komplett modernisiert und dort die Studio Gallery Brühl eingerichtet, die uns als Showroom für unsere Partnertage und Seminare dient. Es ist ein Bekenntnis zu unserem Standort im oberfränkischen Bad Steben sowie zu unseren Wurzeln.
Was war Ihre grösste Herausforderung?
Das neue Werksgebäude von Brühl war kurz vor der Fertigstellung, als auf der Baustelle ein Feuer ausbrach. Alles brannte ab und musste ein zweites Mal aufgebaut werden.
Was sind die Meilensteine Ihrer Firmengeschichte?
Unser Unternehmen wurde 2002 mit der Bayerischen Umweltmedaille für besondere Verdienste um den Umweltschutz und die Landesentwicklung ausgezeichnet und erhielt 2009 als erster deutscher Polstermöbelhersteller das Umweltzeichen «Blauer Engel», das 2019 erneut verliehen wurde. Seit 2017 sind wir zudem klimaneutral. Wir lassen unsere CO2-Emissionen bilanzieren und sind bereits auf dem Weg, konkrete Einsparungen zu erzielen, so dass wir perspektivisch tatsächlich klimaneutral produzieren werden. Unser Ziel ist es auch, uns in Richtung Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Mit den Modellen «Easy Pieces Forever» und «Lofoten» haben wir zwei Modelle eingeführt, die auf Reparierbarkeit und Austauschbarkeit basieren. 2023 haben wir dafür das neue RAL-Gütezeichen «Möbel Zirkulär Nachhaltig» erhalten.
Gibt es in Ihrer Kollektion ein Sitzmöbel, das zu seiner Zeit Aufsehen erregt hat?
Mit dem Modell «Roro» konnten wir 1998 erstmals ein Sitzprogramm vorstellen, das ganz auf Multifunktionalität und dynamisches Sitzen ausgerichtet war. Auf dem «Roro»-Sofa konnte man – und kann man bis heute – sitzen, in Loungestellung relaxen und sogar schlafen. Der programmatische Satz eines Designkritikers dazu lautete passenderweise «Sitzen ändert sich». Aufsehen erregte 2011 auch «Mosspink» von meiner Tochter Kati Meyer-Brühl. Der Entwurf wurde für sein sensibles, innovatives und von der Natur inspiriertes Design gelobt und war 2016 auch in einer Designausstellung im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig zu sehen. Unabhängig davon sind alle unsere Modelle reparierbar. Unsere Idee der abziehbaren und austauschbaren Bezüge, mit denen unsere Modelle nach Möglichkeit ausgestattet sind, findet grossen Anklang. Fast unsere gesamte Kollektion ist mit wechselbaren Bezügen ausgestattet. Das ist in dieser Konsequenz und Breite immer noch eine Besonderheit auf dem Markt. Pro Woche erhalten wir etwa zehn Bestellungen für Wechselbezüge – eine schöne Bestätigung.
Viele Ihrer Sitzmöbel lassen sich drehen, klappen und anheben. Warum sollte ein Sofa wandelbar sein?
Unser Credo lautet «Made for Generations». Unsere Möbel sind immer auf Langlebigkeit ausgelegt, und im Laufe der Zeit ändern sich die Bedürfnisse. Man beginnt vielleicht als junger Mensch in einer kleinen Wohnung oder auch in einer Wohngemeinschaft. Wenn dort ein Sofa auch als bequeme Liege, Bett oder Gästebett dienen kann, ist das von Vorteil: Man braucht weniger Platz und nicht so viele Möbel. In späteren Jahren kann das Möbelstück dann zum Beispiel durch weitere Sitzelemente aus dem gleichen Programm oder auch durch ganz andere Stücke ergänzt werden. Denn unsere Möbel sind sehr anpassungsfähig und gut kombinierbar. Hinzu kommen die austauschbaren Bezüge, die einerseits die Lebensdauer verlängern und es andererseits leicht machen, einem Möbelstück nach 15 oder mehr Jahren einen neuen Look in Farbe oder Material zu geben.
Wie wichtig ist Ihnen die regionale Produktion Ihrer Sitzmöbel?
Das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Qualitäts- und Nachhaltigkeitsversprechens. Ausserdem haben wir in unserer Manufaktur sehr gut ausgebildete Fachkräfte, denen wir eine dauerhafte berufliche Perspektive bieten wollen. Im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft und Reparierbarkeit wird auch die Regionalität noch wichtiger werden. Es ist schwer vorstellbar, ein Sofa zur Reparatur nach China zu schicken.
Sie sind mit dem Umweltzeichen «Blauer Engel» ausgezeichnet. Ausserdem sind Sie als klimaneutraler Hersteller zertifiziert. Ist Nachhaltigkeit für Sie Unternehmenssache?
Auf jeden Fall wollen wir unsere Verantwortung als Unternehmen ernst nehmen. Als Vorreiter können wir mit beispielhaft nachhaltigen Produkten zeigen, was möglich ist und damit Impulse für den öffentlichen Diskurs geben. Natürlich sind auch Rahmenbedingungen durch die Politik unerlässlich, zumal alles miteinander vernetzt ist: Zulieferer, Hersteller, Energieversorger, Entsorgung etcetera. Dieser Prozess wird sich noch weiter verstärken. Unabhängig davon kann jeder Einzelne etwas tun.
Ihre drei Kinder sind im Unternehmen aktiv. Kati Meyer-Brühl gewinnt mit ihren Entwürfen jedes Jahr zahlreiche Designpreise. Was bedeutet für Sie der Begriff Familienunternehmen?
Der Familienunternehmen ist seit 75 Jahren das Rückgrat unseres Handels. Es steht für Vertrauen und Verantwortung, aber auch für Kontinuität und Entwicklung. Es ist etwas Organisches. Es ist Verpflichtung und Chance zugleich. Wir sind vielleicht beweglicher als Unternehmen, die Teil einer grösseren Struktur sind, können schneller entscheiden oder leichter etwas Neues ausprobieren. Auf der anderen Seite gilt es, die wirtschaftliche Stabilität zu sichern.
Was ist für Sie das schönste Kompliment eines Kunden oder einer Kundin?
Wir bekommen viele Briefe von KundInnen, über die wir uns sehr freuen, manche sind sogar handgeschrieben. Einmal schrieb eine Kundin «Gut für mich, schlecht für Sie» – sie hatte für ihr altes Brühl-Sofa einen neuen Bezug bestellt und fand, dass es dadurch wie neu aussieht. Damit hat sie genau das ausgedrückt, worum es uns geht und worum es beim nachhaltigen Wirtschaften generell gehen sollte.
Gibt es eine Herzensangelegenheit, die Sie für Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren noch umsetzen möchten?
Wir – und auch ich persönlich – wollen unser Gespür für das Neue, das Kommende bewahren, offen bleiben und weiterhin Vorreiter in Sachen Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit sein. Für die nahe Zukunft wollen wir die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft vorantreiben und die Menschen mit neuen, nachhaltigen Lösungen begeistern.
BRÜHL
Mehr Designmöbel gibt es in der Ausgabe 08•09/24 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu entdecken.
Interview: Kirsten Höttermann
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 08•09/24