Feines Design aus Brianza

Poliform ist international bekannt für seine hochwertigen Möbel. Doch die Geschichte dahinter bleibt oft im Verborgenen. Wir beleuchten eine Historie, die von Klasse zeugt.

«Ernest» heisst das neuste Sofa des Herstellers, das dieses Jahr am Salone in Mailand Premiere feierte. Entworfen hat es Jean-Marie Massaud, einer der wichtigsten Designer für Poliform.
«Ernest» heisst das neuste Sofa des Herstellers, das dieses Jahr am Salone in Mailand Premiere feierte. Entworfen hat es Jean-Marie Massaud, einer der wichtigsten Designer für Poliform.
In den 1970er-Jahren wurde Poliform dank Alberto Spinelli (v.l.), seinem Bruder Aldo und deren Cousin Giovanni Anzani, zur Marke, die heute für exklusive Möbel aus Italien steht. Foto: Mattia Balsamini.
In den 1970er-Jahren wurde Poliform dank Alberto Spinelli (v.l.), seinem Bruder Aldo und deren Cousin Giovanni Anzani, zur Marke, die heute für exklusive Möbel aus Italien steht. Foto: Mattia Balsamini.

Auch in Norditalien begann alles in einer Garage, allerdings gut 50 Jahre vor den amerikanischen Tech-Unternehmen, deren Firmengeschichten auf einer ähnlichen Erzählung basieren. Im Jahr 1942 gründeten Mitglieder zweier Familien in einer Garage in Brianza nahe Como eine Möbelwerkstatt. Ihr Ziel war es, Stilmöbel à la Chippendale herzustellen, vermutlich in der Zuversicht, dass der Krieg bald enden und sich die Zeiten ändern würden – dass Menschen wieder in Frieden leben und sich ein behagliches Zuhause einrichten könnten.

Damit wird deutlich: Poliform war schon avantgardistisch, als das Unternehmen noch einen anderen Namen trug und anders ausgerichtet war. Seinen heutigen Namen erhielt die Firma erst 1970 mit der Übernahme durch drei Kinder der Gründergeneration. Damals beschlossen Alberto Spinelli, sein Bruder Aldo und deren Cousin Giovanni Anzani, aus dem Familienunternehmen eine Marke zu formen, deren Vision sich zwar aus derTradition speist, deren Möbel jedoch eindeutig für die Zukunft konzipiert sind. Diesem Unternehmen gaben sie einen passenden ­Namen: Poliform. Rückblickend könnte man sagen, dieser Name stand auch für die Möglichkeiten, welche die Möbel bieten und die Gründer für ihr Unternehmen offen liessen.

Die genaue Richtung war den dreien damals noch nicht klar. Doch sie brachten vielfältige Kenntnisse mit, die sich im Nach­hinein als ideal für die Entwicklung des Unternehmens erwiesen: Alberto Spinelli, 24, hatte sein Architekturstudium in Florenz abgeschlossen. Sein Bruder Aldo, 22, hatte den Militärdienst beendet, aber – wie die anderen beiden auch – bereits Erfahrungen im elterlichen Betrieb gesammelt. Giovanni Anzani, mit 20 Jahren nach damaligem Recht noch minderjährig, hatte einige Zeit die Kunstschule besucht. Die Anzanis mussten beim Jugendgericht ein Dokument unterzeichnen, um ihren Sohn trotz seines Alters für geschäftsfähig erklären zu lassen.

Die neuen Inhaber gaben alles, industrialisierten die Produktion und bauten Schritt für Schritt ein weltweites Vertriebsnetz auf. Fortan entstanden Möbel, die modular aufgebaut und trotz Serienproduktion individualisierbar waren. Bald erfolgte auch die Zusammenarbeit mit renommierten DesignerInnen. Entscheidend war dabei die Begegnung mit Paolo Piva Ende der 1980er-Jahre. Der studierte Architekt war etwa im gleichen Alter wie die drei Unternehmenschefs, und man verstand sich auf vielen Ebenen. Die aus dieser Kooperation entstandenen Designs sind legendär. Im Laufe der Jahre arbeiteten viele weitere Grössen des internationalen Designs für Poliform – darunter Rodolfo Dordoni, Jean-Marie Massaud, Marcel Wanders, Soo Chan, Carlo Colombo und Paola Navone. So entwickelte sich aus einem kleinen Handwerksbetrieb ein Global Player der Möbelbranche mit aktuell rund 700 Mitarbeitenden.

Neue spannende Entwicklungen kündigen sich an, denn knapp 55 Jahre nach der Gründung steht die nächste Generation bereit, Poliform in die Zukunft zu führen. Die insgesamt acht Kinder der Gründer, vier Frauen und vier Männer, haben mittlerweile verschiedene Aufgaben im Unternehmen übernommen. Da ist zum Beispiel Marta Anzani, die Marketing studiert hat und sich anfangs eher zur Modewelt hingezogen fühlte. Oder ihre ältere Schwester Laura, CEO von Poliform USA, die an der Università Bocconi studiert hat. Sie alle fühlen sich dem Familienunternehmen verpflichtet.

Obwohl Poliform weltweit vertreten ist, passt das Unternehmen seine Produkte nicht an regionale Geschmäcker auf den verschiedenen Kontinenten an. Man versteht sich als internationaler Botschafter modernen italienischen Designs – und schöpft auch daraus seinen Stolz.

POLIFORM

Die Marke steht für schlichte Eleganz und wohnlichen Minimalismus – von der kompletten Raumausstattung bis zum kleinen Beistelltisch. Im Bild Modell «Strata» von Emmanuel Gallina.
Die Marke steht für schlichte Eleganz und wohnlichen Minimalismus – von der kompletten Raumausstattung bis zum kleinen Beistelltisch. Im Bild Modell «Strata» von Emmanuel Gallina.
2023 stellte Poliform seine erste Outdoormöbel-Kollektion vor, inspiriert von einem Lebensstil, der auf offenen Räumlichkeiten basiert. Sie weist die gleichen hohen Qualitätsstandards auf wie die Indoor-Kollektionen.
2023 stellte Poliform seine erste Outdoormöbel-Kollektion vor, inspiriert von einem Lebensstil, der auf offenen Räumlichkeiten basiert. Sie weist die gleichen hohen Qualitätsstandards auf wie die Indoor-Kollektionen.
Poliform begann 1996 mit der Herstellung von Küchen, als es die Marke Varenna in sein Portfolio aufnahm. Seitdem ist die Küchensparte zu einem wichtigen Bestandteil des Unternehmens geworden.
Poliform begann 1996 mit der Herstellung von Küchen, als es die Marke Varenna in sein Portfolio aufnahm. Seitdem ist die Küchensparte zu einem wichtigen Bestandteil des Unternehmens geworden.

Mehr Designmöbel gibt es in der Ausgabe 08•09/24 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu entdecken.

Text: Barbara Hallmann
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 09•10/24

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