Design als Abenteuer

Vor fast drei Jahrzehnten, in Wien, trafen sich drei frisch diplomierte Industriedesigner – Martin Bergmann, Gernot Bohmann und Harald Gründl – und starteten ein gemeinsames Abenteuer: die Gründung von EOOS. Was damals wie ein mutiger Schritt aussah, hat sich zu einer Designlegende entwickelt. Heute ist unbestreitbar, dass ohne EOOS einige ikonische Möbelstücke in Europa nicht existieren würden.

Weniger Material geht kaum: Der Loungechair «Cuoio» entstand für Walter Knoll. Man kann sich gar nicht vorstellen, ihn irgendwann nicht mehr haben zu wollen. Falls doch, sind Leder und Stahl sortenrein voneinander trennbar.
Weniger Material geht kaum: Der Loungechair «Cuoio» entstand für Walter Knoll. Man kann sich gar nicht vorstellen, ihn irgendwann nicht mehr haben zu wollen. Falls doch, sind Leder und Stahl sortenrein voneinander trennbar.
EOOS – das sind Harald Gründl, Martin Bergmann und Gernot Bohmann. Kennengelernt haben sich die drei beim Anstehen zur Aufnahmeprüfung an der Wiener Hochschule.
EOOS – das sind Harald Gründl, Martin Bergmann und Gernot Bohmann. Kennengelernt haben sich die drei beim Anstehen zur Aufnahmeprüfung an der Wiener Hochschule.

Ironischerweise war es in einer Art Labyrinth, wo Martin Bergmann, Gernot Bohmann und Harald Gründl den Weg zum Erfolg fanden. 1997, auf der Rückreise von der Mailänder Möbelmesse, machten sie Halt im Botanischen Garten von André Heller am Gardasee. Zwei Jahre zuvor hatten die frisch diplomierten Industriedesigner ihr gemeinsames Büro gegründet, doch der Durchbruch blieb aus. «Die erste Zeit ging einfach gar nichts. Wir waren schlichtweg nicht erfolgreich, anders kann man es nicht sagen», erinnert sich Martin Bergmann, der Älteste des EOOS-Trios, mit einem Lachen, das die damalige Verzweiflung noch erahnen lässt.

Vor der Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien hatte er mit den beiden anderen hintereinander in der Schlange gestanden – und ab da seien sie quasi unzertrennlich gewesen. Direkt nach dem Abschluss 1995 entschieden sie: Wir gründen gemeinsam unser eigenes Studio! Aber bald schien es, dass man das lieber hätte bleiben lassen sollen: «Wir hatten uns zum wiederholten Male die Reise zur Mailänder Messe geleistet. Aber wieder keinen wirklich relevanten Auftrag festmachen können und so waren wir auf der Rückfahrt kurz davor, alles hinzuwerfen.»

Im Hellerschen Garten bejammerten die drei ihr Schicksal – so erzählt der gebürtige Osttiroler Martin Bergmann die Geschichte. Mitten im Labyrinth sei ihm jedoch ein Geistesblitz gekommen: «Wisst ihr was», hab ich gesagt, «wir ­rufen den Paolo Piva in Venedig an, vielleicht hat er noch eine Idee, was wir machen können.» Die drei waren ab 1988 unter den ersten gewesen, die bei Piva in Wien in einer Meisterklasse studiert hatten. In ihrer unangenehmen Lage fassten sie Mut, suchten nach einer Telefonzelle und wählten Pivas Nummer. Der Professor hob tatsächlich ab – und lud seine ehemaligen Studenten prompt ein, zu ihm nach Venedig zu kommen. «Wir verbrachten dort ­eine wunder­bare Zeit und das Beste war: Piva vermittelte den Kontakt zur deutschen Marke Walter Knoll. Er hat in Herrenberg angerufen und gesagt: Ich hab hier drei ehemalige Studenten, die sind sehr talentiert, schaut euch die mal an.» Aus diesem Telefonat entstand schliesslich das Sofa «Jason» – der Beginn einer bis heute andauernden Zusammenarbeit zwischen EOOS und Walter Knoll. «Dieses Projekt war unsere einzige Chance. Es musste funktionieren, sonst hätten wir EOOS aufgelöst», gesteht Bergmann. «Denn ein Büro ohne Aufträge – das war nicht länger finanzierbar.» Aber «Jason» wurde ein unglaublicher Erfolg, veränderte die Marke Walter Knoll nachhaltig und zündete, wie Bergmann es formuliert, ­einen Booster für EOOS.

Es ermöglichte ihnen, ihre Vision zu verwirklichen: langfristige Partnerschaften mit renommierten Marken auf­zubauen, ähnlich wie George Nelson oder Charles und Ray Eames für Herman Miller. Heute zählen Unternehmen wie Keilhauer, Carl Hansen & Søn, Duravit, Laufen und Herman Miller zu ihren Stammkunden. Zeitweise gestalteten sie sogar weltweit Showrooms für Giorgio Armani Cosmetics. ­Irgendwann verliessen sie das Feld des Shop Designs aber wieder – denn sie hatten verstanden: «Wir sind Möbel­menschen.»

Soziales Engagement und Nachhaltigkeit
Damals wie heute scheinen die drei ganz selbstverständlich miteinander zu funktionieren. Immer wieder bezeichnet Martin Bergmann im Gespräch die anderen beiden Geschäftspartner explizit als Freunde – es scheint, als hätten vor mehr als 30 Jahren Seelenverwandte zusammengefunden. Und doch ist es im Trio für jeden einzelnen möglich, seinen eigenen Leidenschaften zu folgen. So hat zum Beispiel Harald Gründl sich einem Bereich verschrieben, dem sich nur wenige Studios so aktiv widmen wie EOOS: dem Design für soziale Zwecke. Bergmann beschreibt es treffend als «Haralds Stärke, sein Wunsch und seine Expertise». Ein Meilenstein in diesem Engagement war das Projekt «Places for People» für die Architektur-Biennale Venedig 2016.

Damals erreichten täglich tausende Flüchtlinge Wien. Die Stadtverwaltung stellte ihnen ungenutzte Schul- und Bürobauten in der Innenstadt zur Verfügung – und vermied damit eine Unterbringung in Containerdörfern. Doch auch hier liess die Aufenthalts- und Gemeinschaftsqualität zu wünschen übrig. EOOS erhielt – gemeinsam mit anderen Büros – von der Biennale-Kommissärin den Auftrag, dieses Problem zu durchdenken und Lösungsvorschläge anzubieten. Die Designer erkannten rasch die Notwendigkeit, den oft zur Untätigkeit gezwungenen BewohnerInnen eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten. Hieraus entstand der Open-Design-Katalog «Social Furniture» – eine Sammlung von 18 selbst zu bauenden Möbelstücken. Aus günstigen Schaltafeln konnten Regale, Tische und sogar eine komplette Küchenausstattung gefertigt werden. EOOS erweiterte so das Konzept des DIY zum DIT: Do it together.

EOOS

Beim «Temno Table» für Walter Knoll kommt es auf den Fuss an. Er wird aus Manufakturbeton gegossen – mit einer Oberfläche, die so samtig-matt und weich erscheint, dass man sie streicheln möchte.
Beim «Temno Table» für Walter Knoll kommt es auf den Fuss an. Er wird aus Manufakturbeton gegossen – mit einer Oberfläche, die so samtig-matt und weich erscheint, dass man sie streicheln möchte.
Hier kommen Industrie und Handwerk zusammen. Die Schnüre, die diese Sessel (Geiger & Herman Miller) stützen, werden normaler­weise für Fallschirme genutzt.
Hier kommen Industrie und Handwerk zusammen. Die Schnüre, die diese Sessel (Geiger & Herman Miller) stützen, werden normaler­weise für Fallschirme genutzt.
Das ist skandinavisches Design, made an der Donau. Aus dem «Embrace Lounge Chair» von Carl Hansen & Søn mag man gar nicht wieder aufstehen.
Das ist skandinavisches Design, made an der Donau. Aus dem «Embrace Lounge Chair» von Carl Hansen & Søn mag man gar nicht wieder aufstehen.
Es war der Moment, als EOOS die Küche neu dachten: Ein absoluter Klassiker ist mittlerweile ihre Werkbank «b2» aus dem Jahr 2008, die sie für Bulthaup gestalteten.
Es war der Moment, als EOOS die Küche neu dachten: Ein absoluter Klassiker ist mittlerweile ihre Werkbank «b2» aus dem Jahr 2008, die sie für Bulthaup gestalteten.

Mehr Design von Eoos ist in der Ausgabe 03•04/25 vom Magazin RAUM UND WOHNEN zu entdecken.

Text: Barbara Hallmann
aus dem Magazin: Raum und Wohnen, Zeitschrift Nr. 03•04/25

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